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Planungs- und Bauprozesse bei Großprojekten: Stärkung der ganzheitlichen Verantwortung des Architekten

15. März 2013

Am 15. März 2013 hat der BDA-Bundesvorstand ein Positionspapier mit Forderungen zum Ablauf komplexer Bauprojekte und der Rolle des Architekten innerhalb dieses Prozesses verabschiedet:

Planungs- und Bauprozesse bei Großprojekten: Stärkung der ganzheitlichen Verantwortung des Architekten

Komplexe Großprojekte der öffentlichen Hand sind zunehmend bereits vor ihrer Fertigstellung einer massiven öffentlichen Kritik ausgesetzt. Die häufigsten Gründe hierfür sind u.a. Intransparenz der Entscheidungswege, mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit, Planungs- und Baumängel sowie Überschreitung der Bauzeit und der Baukosten.

Während für Versäumnisse in der Projektvorbereitung und -durchsetzung die Politik verantwortlich gemacht wird, steht bei Störungen während des Bauprozesses in der Regel der Architekt im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, und zwar unabhängig von der tatsächlichen, oft unklaren Sachlage und obwohl ihm im Planungs- und Bauprozess zunehmend die Verantwortung (im Sinne von Einflussmöglichkeit, nicht zu verwechseln mit Haftung!) entzogen wird.

Eine Besonderheit solcher Großprojekte besteht sowohl in den regelmäßig hohen technisch konstruktiven Anforderungen als auch der zunehmenden Komplexität von Planung und Ausführung und der sich hieraus ergebenden Vielzahl von Fachplanern und Spezialisten. Zur Sicherung einer der Aufgabe angemessenen Prozessqualität ist ein erhöhter Koordinationsaufwand unerlässlich; ein Gesamtkonzept muss die unterschiedlichen fachlichen Kompetenzen integrieren und die Planungs- und Bauaufgaben in hoher architektonischer Qualität lösen.

Rolle des Architekten bei komplexen Projekten
Diese Aufgabe erfordert eine der Kernkompetenzen von Architekten: Aufgrund ihrer integralen Herangehensweise, des in Ausbildung und Berufsalltag erworbenen interdisziplinären Problembewusstseins sowie der Lösung komplexer Aufgabenstellungen sind sie bestens geeignet, die Koordination aller Beteiligten und damit die Verantwortung für die Qualität des Gesamtergebnisses zu übernehmen. Diese Kompetenz beginnt bereits bei der fachlich basierten Erarbeitung der Aufgabenstellung in Zusammenarbeit mit dem Bauherrn, sie schließt Termin- und Kostenmanagement ebenso ein wie die eigentliche Objektplanung und -überwachung. Daher ist die Aufteilung von Verantwortlichkeiten für einzelne Bereiche wie Definition der Bauaufgabe, Grundlagenermittlung, Entwurf, Werkplanung, Ausschreibung, Vergabe und Bauleitung eine grundlegende Fehlentwicklung im Bauwesen. Sie führt zu unübersichtlichen, intransparenten Zuständigkeiten, Reibungsverlusten an den Schnittstellen und lässt Kommunikationsmängel zu folgenreichen Fehlerketten heranwachsen.

Der BDA fordert einen interdisziplinären Planungs- und Bauablauf, der durch eine enge und faire Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachdisziplinen geprägt ist. Voraussetzungen hierfür sind:

1. Erarbeitung solider Grundlagen im Vorfeld politischer Entscheidungen:
Politische Entscheidungen zu komplexen Großprojekten werden häufig ohne ausreichende Bürgerbeteiligung, tiefgehende Analyse der Bedarfe und detaillierte Definition der Projektgrundlagen getroffen. Gleichzeitig werden trotz fortlaufender Diskussion und Änderung der Bedarfsanforderungen zentrale Eckpunkte der Projekte (Kosten- und Zeitrahmen, Auswahl der Projektbeteiligten) ohne professionelle Vorarbeit entschieden.
Der BDA fordert eine frühzeitige Einbindung von Architekten in die Projektvorbereitung, klarere Definition der öffentlichen Bedarfe im Vorfeld der Ausschreibungen und Vergaben und somit eine fachliche Stärkung der Entscheidungskompetenz der Bauherrenvertreter.

2. Stärkung der Koordinations- und Integrationsleistungen des Architekten:
Unvollständige oder fehlerhafte Planungen sind ursächlich für unvollständige Beschreibungen des Bau-Solls und Quelle für Termin- und Kostenüberschreitungen. Mangelnde Interdisziplinarität, zu kurz bemessene Planungszeiten, Aufteilung der Planungs- und Koordinationsverantwortlichkeiten oder nachtägliche Bedarfsänderung sind in der Regel Ursachen hierfür. Eine häufig ausschließlich betriebswirtschaftlich ausgerichtete Projektsteuerung mit nur geringem planungs- und bauspezifischem Hintergrund ist mit einer effektiven Koordination der Projektbeteiligten und einer Integration der Projektschritte überfordert.
Der BDA fordert, die ganzheitliche Verantwortung des Architekten für den Planungs- und Bauprozess zu stärken. Ohne die klare Zuordnung der zu erbringenden Koordinations- und Integrationsleistung ist eine Verringerung der Schnittstellenprobleme nicht zu erreichen.

3. Stärkung des kooperierenden Verhaltens der Projektbeteiligten durch faire Vergabeverfahren und zielführende vertragliche Regelungen:
Rechtsstreitigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erhöhen das Kosten- und Terminrisiko. Ursachen sind häufig eine nicht ausreichende Planungsreife vor Ausschreibung und Vergabe (aufgrund mangelhafter Bedarfsdefinition oder zu enger Terminvorgaben), eine zu geringe Berücksichtigung von tatsächlichen Qualitätskriterien (formale Präqualifizierungshürden statt echter Qualitätsauswahl / Niedrigstpreis statt Wirtschaftlichkeit) und der Verzicht auf eine planungs- und baubegleitende Streitschlichtung.
Der BDA fordert, durch faire und wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren an Planer und bauausführende Firmen eine am Bauziel orientierte Aufgabenteilung der Projektbeteiligten und transparente Verträge mit einer fairen Haftungsverteilung das kooperierende Verhalten aller Projektbeteiligten zu stärken.

Berlin, 15. März 2013

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