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Städtebau und Architektur haben Vorrang vor Management und Marketing

30. Juli 2009

Der BDA fordert Priorität für Planung und Architektur in Städtebaufragen und verlangt einen unabhängigen Gestaltungsbeirat für das Dom-Römer-Areal in Frankfurt am Main.

Der Bund Deutscher Architekten BDA Hessen begrüßt die von der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung beschlossene Gründung der Dom-Römer GmbH. Die städtische Gesellschaft soll die hohe gestalterische Qualität bei der Neubebauung des Dom-Römer-Areals sichern, die Durchführung von Wettbewerbsverfahren für die einzelnen Häuser organisieren und die Realisierung des technisch wie gestalterisch schwierigen Vorhabens überwachen.

Durch seine Aussagen in einem Interview vom 10. Juli 2009 in der FAZ /Rhein-Main-Zeitung zum Stand der Überlegungen für die neue „Altstadt“ wirft der designierte Geschäftsführer der Dom-Römer GmbH, Werner Pfaff, jedoch zahlreiche Grundsatzfragen auf.

Folgt man den Aussagen, geht es bei diesem Projekt mittlerweile keineswegs um das, was man gemeinhin unter „Stadt“ versteht. Stattdessen ist im Sinne einer optimalen Abwicklung und Vermarktung von einer Megastruktur mit U-Bahnanschluss, direkter Verbindung zu einer eigenen Tiefgarage und großmaßstäblich zusammenhängenden Grundrissen im Erd- und ersten Obergeschoss sowie großen Wohnungen in den oberen Etagen die Rede. Sechs nach historischen Vorbildern „rekonstruierte“ Häuser sowie weitere Fassaden, die eine kleinmaßstäbliche Parzellierung simulieren, sollen diesem sehr künstlich anmutenden Konstrukt zu einem „städtischen“ beziehungsweise „altstädtischen“ Charakter verhelfen.

Bedenklich findet der Bund Deutscher Architekten auch, dass die Altstadt nun aus einer Hand von einem „Center-Management“ verwaltet werden soll, als wäre sie ein Einkaufszentrum – oder soll hier tatsächlich eine Art „Open-Air-Mall“ entstehen, die nur so tut, als wäre sie eine „Stadt“?

Sollte dies eintreten, verkäme das Projekt endgültig zu einer Farce. Dies aber sollte die Stadt Frankfurt aus Respekt vor sich selbst und vor ihren Bürgern vermeiden. Als aus fachlicher Sicht enttäuschend betrachtet der BDA, dass die Forderungen der Stadtplaner wie der Architekten und der Denkmalpfleger nach einem im Sinne dieser Disziplinen abgesicherten Prozess vollständig ignoriert und konterkariert werden.

Unter den derzeitigen Bedingungen verkäme auch die Einrichtung eines „Altstadtbeirats“ zu einer Farce. Zu offensichtlich geht es dabei darum, Diskussionen, die öffentlich sein sollten, unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuwickeln. Dies stünde im vollständigen Widerspruch zum Wesen eines echten Gestaltungsbeirats, wie ihn der BDA verlangt: Eine in erster Linie der Öffentlichkeit – und nicht einem Bauherrn, auch nicht einem öffentlichen – verpflichtete, überparteiliche Instanz zu sein, die sich im Sinne der Stadt dafür engagiert, die unterschiedlichen Interessen mit der städtebaulich und architektonisch bestmöglichen Lösung zu verbinden. Um erfolgreich wirken zu können, bedarf es ausdrücklich der Unabhängigkeit, der Glaubwürdigkeit und der fachlichen Autorität des Gestaltungsbeirats als Ganzes und jedes einzelnen seiner Mitglieder.

Wie die Erfahrung in anderen deutschen Städten – allen voran Regensburg – zeigt, wird ein Gestaltungsbeirat nur erfolgreich arbeiten können, wenn er von der Politik, der Verwaltung, den Medien und der Architektenschaft gleichermaßen gewollt und respektiert wird. Dies wirft die Frage der Legitimation und der Voraussetzungen auf, die die einzelnen Mitglieder erfüllen müssen. So muss die Besetzung des Gestaltungsbeirats selbstverständlich öffentlich und unter Teilnahme der Fachleute erfolgen. Wie beim Städtebaubeirat fordert der BDA eine Beteiligung an den anstehenden Beratungen über Ziele, Arbeitsweisen und Besetzung des Gestaltungsbeirats für das Dom-Römer-Areal.

In diesem Zusammenhang sei der Hinweis erlaubt, dass ein solcher unabhängiger Beirat ausschließlich mit auswärtigen Architekten besetzt werden sollte, die eine objektive und unvoreingenommene Sicht auf die Stadt mitbringen und in der Arbeit solcher Organe erfahren sind. Den Gestaltungsbeirat mit Frankfurter und in Frankfurt tätigen Architekten zu besetzen, hält der BDA für falsch, da man wie im Sport nicht gleichzeitig Spieler und Schiedsrichter sein kann: Unabhängigkeit ist die Voraussetzung, ohne die Glaubwürdigkeit nicht möglich ist.

Auch ist die Einrichtung einer Geschäftsstelle erforderlich, die die Sitzungen des Beirats professionell vorbereitet und durchführt. Um eine größtmögliche Öffentlichkeit zu erreichen, müssen die Sitzungen rechtzeitig angekündigt und öffentlich durchgeführt werden. Entscheidend ist, dass die Empfehlungen des Gestaltungsbeirates verbindlich aufgefasst und umgesetzt werden. Nur so kann es ihm gelingen, ein Bewusstsein für die geschichtliche, soziale und kulturelle Dimension von Architektur und Städtebau, um die es hier geht zu schärfen und im gesamtkulturellen Gesellschaftsraum zu verankern.

Darüber hinaus kann ein so verstandener, unabhängiger Gestaltungsbeirat der Entwicklung einer ausgereiften und fundierten Diskussionskultur über Stadtgestaltung dienen. Er kann als Forum für Gespräche über Architektur und Stadt zwischen Fachleuten und Laien, zwischen Bauherren und Politik, zwischen freischaffenden Architekten und Mitarbeitern der Verwaltung das Bewusstsein für Architekturqualität in ihrem gesamtkulturellen Verständnis positiv beeinflussen und ein wichtiger Baustein zur Stärkung der Baukultur sein.

Über die Diskussion zum Gestaltungsbeirat hinaus bemängelt der BDA, dass die vorgesehene Gestaltungssatzung für die neue „Altstadt“ der Arbeitsweise eines Gestaltungsbeirats widerspricht. Denn gerade im Abwägungsprozess für die beste Lösung ist Spielraum für Entscheidungen unbedingt erforderlich. Mit einem starken Gestaltungsbeirat im Rücken wären allgemeine Empfehlungen sicher ausreichend. Doch haben sich diese mit dem historischen Charakter des Dom-Römer-Areals zu vertragen: Zu der Absurdität der aktuellen „Gestaltungssatzung“ gehört, dass sich die geplanten historischen Fassaden unter ihnen gar nicht realisierten lassen würden. Auch dieser Widerspruch muss auf dem Weg zu einem lebendigen Quartier zwischen Dom und Römer behoben werden.

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