Themen

Der Murks am Markt ist programmiert

16. Juli 2009

Stellungnahme des BDA Frankfurt zur Ausschreibung „Stadthaus am Markt“

Der Bund Deutscher Architekten BDA, Gruppe Frankfurt, kritisiert die kürzlich bekannt gewordene Auslobung zur Überbauung des Archäologischen Gartens mit einem „Stadthaus am Markt“.

Der geplante Neubau wirft eine Reihe von unlösbaren Problemen auf, die zudem teilweise im Widerspruch zum Altstadt-Beschluss der Stadtverordnetenversammlung stehen. Die ungelösten Fragen zeigen zusammen mit den zahlreichen technischen Problemen – Abtragung eines Geschosses der Tiefgarage, Verlegung der U-Bahn-Eingänge, Auftrieb des Grundwassers -, dass in der Frage der Altstadtbebauung romantisches Wunschdenken über die Kompetenz der Fachleute gesiegt hat. Der BDA wünscht sich wie auch die gewählten politischen Vertreter und die Bürger Frankfurts eine attraktive, ebenso lebendige wie vielfältige Innenstadt als Ausdruck einer reichen Geschichte und spannenden Gegenwart. Über dem gemeinsamen Ziel, freilich, sollte man den Sachverstand nicht vergessen. Dass der Städtebaubeirat, immerhin eine offizielle Einrichtung zur Beratung des Magistrats und des Stadtparlaments, nicht zu dieser Auslobung an einem so wichtigen Ort konsultiert wurde, dass das Preisgericht des Wettbewerbs vergleichsweise wenig akzentuiert besetzt ist, lässt darüber hinaus befürchten, dass die politischen Vertreter der Stadt Angst vor fachkundigem Urteil haben.

Der Plan ist gut: Das Stadthaus über dem Archäologischen Garten wird ein öffentliches Haus – ein Begegnungszentrum mit den Menschen und der Geschichte dieser Stadt. Es wäre sogar ein Begegnungszentrum, gleichsam eine neue Mitte, für die ganze Rhein-Main-Region vorstellbar. Dies wäre ein angemessenes Initialprojekt für die Neugestaltung des Geländes zwischen Dom und Römerberg. Man wünschte allerdings, die Stadtverordneten hätten die mit der Überbauung dieser Keimzelle Frankfurts zusammen hängenden Probleme vor ihrem Beschluss, die Altstadt neu zu bauen, bedacht. Denn ein öffentliches Gebäude mit einer unmittelbar anschließenden Wohnnutzung, wie sie im Altstadt-Beschluss gefordert wird, ist allein schon wegen der geometrischen Überlagerung nicht machbar.

Nach dem Beschluss des Stadtparlamentes soll der Straßenzug „Markt“, der so genannte Krönungsweg, wieder entstehen. Doch ein Teil der Grundfläche des zu rekonstruierenden Gebäudes „Goldene Waage“ sowie der neu zu errichtenden südlichen Häuserzeile befindet sich auf dem Wettbewerbsareal und über den historischen Mauern der karolingischen Königspfalz. Andererseits soll, das fordert die Ausschreibung, das Bodendenkmal respektiert und in „raumschaffende Architektur“ eingebunden werden. Die Auflösung dieses nicht lösbaren Widerspruchs bleibt den Wettbewerbsteilnehmern vorbehalten. Anders gesagt: Die ungelösten Probleme des offenbar nicht zu Ende gedachten Altstadt-Projekts werden an die zuvor heftig angegriffenen Architekten weitergeschoben.

Soll die Südseite der Häuserzeile natürlich belichtet werden, verringert sich die Grundfläche des Stadthauses. Bei der verlangten Bruttogeschossfläche von 4.000 Quadratmetern – immerhin die Hälfte der Fläche, die beim Wettbewerb für den Neubau des Historischen Museums verlangt war und zu erheblicher Kritik geführt hat – könnte die Verringerung der Grundfläche dazu führen, dass das neue Gebäude Dimensionen annimmt, die von den Frankfurter Bürgern einmal mehr kaum akzeptiert werden. Sollte die Häuserzeile am „Markt“ Teil des Stadthauses werden, könnten die Häuser nur von Norden belichtet werden. Eine Wohnnutzung, wie sie im Beschluss zur Neubebauung der Altstadt gefordert wird, wäre dadurch ausgeschlossen. Soll, wie kolportiert, die „Goldene Waage“ als Eingangsbauwerk für das Stadthaus dienen, hätte das zur Folge, dass nur zwei Fassaden des an sich bauhistorisch wertvollen Gebäudes rekonstruiert werden könnten – das Ergebnis wäre vordergründiger Oberflächenschmuck ohne Inhalt. Bloße Fassade wäre auch die aufwändig rekonstruierte „Goldene Waage“ als U-Bahn-Eingangshäuschen. Darüber hinaus lässt die unklare Funktionsbeschreibung des Stadthauses vieles offen. „Ein einladender Ort der Begegnung mit Besuchern und Gästen der Stadt als auch mit der Geschichte des Ortes und der Stadt“ ist kein konkretes Raumprogramm. Soll über der historischen Keimzelle des leider mit nur noch wenigen historischen Bauwerken gesegneten Frankfurts tatsächlich eine mit Geselligkeits- und Ausflugsprospekten übersäte Touristeninformation und ein Veranstaltungssaal entstehen? Die Unbestimmtheit der geforderten Nutzung erinnert an den kürzlich vom Leiter des Stadtplanungsamtes, Dieter von Lüpke, geäußerten Einwand: „Wenn man keine Ideen hat, macht man einen Wettbewerb.“

Ergänzend zur Wettbewerbsauslobung ist festzuhalten, dass nach Einschätzung des BDA die für die Altstadtbebauung angestrebte „schwarze Zahl“, wie sie der designierte Geschäftsführer der Dom-Römer-Gesellschaft unlängst in einem Interview genannt hat, reine Illusion ist. Bereits jetzt wird das Altstadt-Bauprojekt mit grob geschätzten 200 Millionen Euro subventioniert: Auf diesen Betrag summieren sich die Herstellung des baureifen Grundstücks, der Wertverlust der Grundstücke, der Rückkauf des Technischen Rathauses und die Ersatzbauten der noch im Technischen Rathaus untergebrachten Ämter. Pro rekonstruiertem oder neu gebautem Fachwerkhaus ergibt sich damit bereits jetzt eine Förderung von mehr als sechs Millionen Euro aus der Stadtkasse – und das ausschließlich für private Nutzungen. Die Fragen einiger Stadtverordneter zu den Kosten des Projekts im Vorfeld des Beschlusses zur Gründung der Dom-Römer-Gesellschaft gingen in die richtige Richtung. Der BDA befürchtet, dass sich die Stadt Frankfurt mit dem Neubau der Altstadt in ein finanziell unkalkulierbares Risiko stürzt, an dessen Ende die Bürger unter massiven Einschränkungen, vulgo Sparmaßnahmen, leiden. Wie die Erfahrung lehrt, werden die vorgesehenen äußerst kurzen Fristen für Planung und Bau sowohl des Stadthauses als auch der Fachwerkhäuser zu eher höheren Kosten führen.

Bei den zu rekonstruierenden bzw. neu zu bauenden Häusern erwartet der BDA darüber hinaus eine größtmögliche Transparenz des Verfahrens der Vergabe und der Gestaltung dieser Bauten. Für den Entwurf der Häuser fordert der Berufsverband die Ausschreibung von offenen Wettbewerben. Das Ensemble der Neubebauung sollte nach BDA-Ansicht Vorrang vor dem einzelnen Objekt haben. Die vorliegende Fassung der Gestaltungsleitlinien ist nach Einschätzung des BDA allzu detailliert und engt die Gestaltungsmöglichkeiten für zeitgenössische Anforderungen und Qualitäten zu stark ein. Darüber hinaus soll ein Gestaltungsbeirat über die Einhaltung dieser Satzung wachen. Im Falle der Berufung eines Gestaltungsbeirats rät der BDA, ihn mit auswärtigen Experten zu besetzen. Das kann eine Vermischung von Interessen verhindern. Diese Art der Besetzung wird von erfolgreichen Beispielen eines Gestaltungsbeirats wie etwa in Regensburg praktiziert. Um Interessenkollisionen zu vermeiden, kann nach Ansicht des Berufsverbandes auch kein Architekt am Wettbewerb für das Stadthaus teilnehmen und gleichzeitig Mitglied des Gestaltungsbeirates für die Altstadt sein.

Der BDA fordert aus all diesen Gründen, die Ausschreibung für das „Stadthaus am Markt“ zum einen neu und zum anderen weniger restriktiv zu formulieren. Anders werden qualitativ hochwertige Entwürfe für ein von den Bürgern Frankfurts und der Rhein-Main-Region akzeptiertes und auch angenommenes Stadthaus nur bei Übertretung der in der vorliegenden Ausschreibung genannten Bedingungen möglich sein. Im Sinne einer sowohl breit getragenen als auch der Qualität verpflichteten Baukultur regt der BDA an, den Stadtverordneten-Beschluss zum Neubau der Altstadt entsprechend zu korrigieren. Im Interesse seiner Mitglieder hofft der BDA schließlich, dass in Zukunft Wettbewerbe an solch sensiblen Stellen vorher mit der Stadtverordnetenversammlung und den Fachgremien abgestimmt werden.