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Nachruf für Helmut Hofmann (1907-2006)

6. Dezember 2006

von Franz Josef Hamm

Am 5. Dezember 2006 verstarb in seinem Haus, der wiederhergestellten Schlossremise in Schlangenbad-Georgenborn, unser Ehrenmitglied Helmut Hofmann. Am 9. Februar 1907 wurde er in Konstadt (Oberschlesien) geboren. Die Familie zog häufig um – eine Folge der zahlreichen Versetzungen des verbeamteten Vaters, bevor sie sich 1922 in Oppeln niederließ.

Hier begann Helmut Hofmann eine Maurerlehre und schloss diese nach zweieinhalb Jahren mit Gesellenbrief ab. 1925 trat er in die Baugewerkschule Breslau ein und verließ diese zwei Jahre später mit dem Bauingenieurzeugnis. Zwar hatte Helmut Hofmann eine gründliche Ausbildung in Konstruktion, Materialkunde, Ausschreibung und Kalkulation und Bauleitung erfahren, seine künstlerischen und gestalterischen Fähigkeiten jedoch waren weder gefordert noch gefördert worden. Doch bot die Stadt Breslau, unter dem Stadtbaurat Max Berg in Hinsicht auf die moderne Architektur zu einer der fortschrittlichsten Städte aufgestiegen, zahlreiche Anregungen. So lockte unter anderem die Akademie für Kunst und Kunstgewerbe, die von Hans Poelzig zu einer der wichtigsten Hochschulen entwickelt worden war und mit ihren Werkstätten das Prinzip des Bauhauses schon vorweg genommen hatte. Als Lehrer für Architektur wirkten hier Adolf Rading und Hans Scharoun. Daneben lehrten, unter dem Direktor Oskar Moll, Carlo Mense, Alexander Kanold, Otto Müller, Johannes Molzahn, Oskar Schlemmer und Georg Muche.

1928 begann Helmut Hofmann dort sein baukünstlerisches Studium. Er kam mit vielen Künstlern und Architekten in Kontakt, auch über den Breslauer Kunstverein, bei dem er als Zeichner von Schaubildern sehr gefragt war. Ein vorläufiger Höhepunkt im Übergang vom Studium zur Praxis war seine Mitarbeit im Architekturbüro Paul Häusler, das 1929 mit dem Bau eines Doppelhauses in der gerade entstehenden

Werkbundsiedlung WUWA beauftragt wurde. Weitere Architekten der Ausstellung waren neben Rading und Scharoun, Heim und Kempter, Gustav Wolf, Ludwig Mooshammer, Heinrich Lauterbach, Moritz Hadda, Theo Effenberger und Emil Lange.

Helmut Hofmann stand so ganz zu Anfang seiner Berufstätigkeit mitten in der Avantgarde der Architekten in Schlesien. Doch nach diesem großartigen Start war der Absturz umso tiefer. Der Zusammenbruch der Baukonjunktur in der Weltwirtschaftskrise machte auch Helmut Hofmann arbeitslos. Er musste von einer sehr dürftigen Unterstützung leben und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten als Maurer, Schaufensterdekorateur und Stehgeiger in den Hinterhöfen durch.

1932 erhielt Helmut Hofmann immerhin den Auftrag, Bestandspläne vom Gebäude der Akademie herzustellen, die von der preußischen Regierung infolge der Notverordnung geschlossen worden war. Da an eine Weiterarbeit als Architekt jedoch nicht zu denken war, nahm er die Stelle eines technischen Leiters bei einem kleinen Bauunternehmen in Saarau (Schlesien) an. Deren Inhaber verstarb kurz darauf und bei der Abwicklung des Unternehmens lernte Helmut Hofmann einen Rechtsanwalt kennen, der ihn 1933 mit der Planung seines Hauses beauftragte. So begann seine erste freischaffende Tätigkeit. Er wurde Mitglied im Bund Deutscher Architekten und, nach der Gleichschaltung der Verbände, auch im Reichsverband Bildender Künstler. Das Haus wurde 1935 fertig gestellt, doch folgten nur sehr bescheidene Nachfolgeaufträge. Seine freischaffende Tätigkeit war daher ohne Zukunft.

Als 1936 das Reichs-Luftfahrtministerium Mitarbeiter für seine Bauabteilung in Berlin suchte, bewarb sich Helmut Hofmann und wurde eingestellt. An seinem Arbeitsplatz lernte er seinen späteren Büropartner Hanns Hörich kennen. Beide kündigten, als 1938 die Mitarbeiter der Dienststelle 2 dienstverpflichte werden sollten, und machten sich selbstständig. Sie hatten inzwischen einen Architekten kennen gelernt, der eine Siedlung bauen sollte, aber nicht über die entsprechenden Mitarbeiter verfügte. Es folgten weitere Projekte, die aber zum größten Teil wegen des Krieges nicht mehr realisiert wurden.

1940 wurde Helmut Hofmann zur Wehrmacht eingezogen und lernte in der Grundausbildung den Buchhändler Martin Tolksdorf aus Hattersheim (Main) kennen, der später eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen sollte. Zuletzt als Panzerkommandant in Italien stationiert und dann in einem Gefangenenlager inhaftiert, floh er mit einem Kameraden und schlug sich zu Fuß nach Berlin durch. Dort erwartete ihn ein schwerer Schlag: Er hatte in den letzten Kriegstagen seine Frau, sein Haus und allen Besitz verloren. Gemeinsam mit seinem kleinen Sohn zog er nach Turnau bei Kulmbach und entwarf hier Möbel für den Leiter des Gesundheitsamtes. Hier lernte er auch seine spätere zweite Frau kennen.

Sein Freund, der Buchhändler Tolksdorf, holte ihn im Herbst 1946 nach Hattersheim (Main). Dort gründeten sie gemeinsam die „Kunst und Bücherstube Martin Tolksdorf“. Helmut Hofmann war für Kunst und Kunstgewerbe zuständig. Er ließ aus Munitionskisten Wiegen bauen, die er selbst bemalte. Martin Tolksdorf kümmerte sich um die langsam wieder erscheinenden Bücher. Der Hattersheimer Bürgermeister riet Helmut Holter, sich um Bauaufgaben zu bewerben, denn die Wohnungsnot war durch den Krieg und den Zuzug der Heimatvertriebenen sehr groß. So gründete Helmut Hofmann in Hattersheim sein inzwischen drittes Architekturbüro und begann schon 1948 mit dem Bau einer Siedlung für Heimatvertriebene. Dabei ließ er den Maler Reich an der Stolpe auf der Giebelwand einer Hauszeile das Sgraffito des Rathauses von Breslau ausführen.

Seine trotz knapper Mittel ausgeklügelte, wirtschaftliche Grundrisse wurden schon bald in Bauzeitschriften publiziert, die Bauten in einem frühen „Ratgeber für Bausparer“ als Beispiele abgebildet. Für die zweite Auflage des Ratgebers 1953 wurde er mit dem Entwurf von Typengrundrissen beauftragt, darunter auch eine Eigentumswohnung. Helmut Hofmann schloss mit diesen Entwürfen nahtlos an die abgebrochene Entwicklung der neuen Architektur der 1920er und frühen 1930er Jahre wieder an.

Die eigene Bürotätigkeit weitete sich stark aus, neben Wohnhäusern plante und baute er Verwaltungsgebäude, Sparkassen, Banken, Bauten des Gesundheitswesens, Schulen, Gemeindehäuser, Friedhofshallen und Kirchen. Dabei zog der Architekt – wo immer es ging – freischaffende Künstler mit heran. Er gehörte zu dem großen Freundeskreis um die Kunsthändlerin und Sammlerin Hanna Becker vom Rath in Hofheim und richtete auch einige Kunstausstellungen ein. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung verlagerte Helmut Hofmann 1967 seine Aktivitäten nach Schlangenbad-Georgenborn. Er erwarb dort die Ruine der Schlossremise, stellte sie für seine Zwecke als Wohn- und Arbeitsstätte mustergültig wieder her und setzte dabei wiederhergestellte alte Substanz gegen moderne Elemente. Dank des denkmalpflegerischen Umgangs mit dem historischen Gebäude beauftragte man ihn mit der Wiederherstellung und Erweiterung des Kurhauses in Bad Schwalbach, das von Philipp Hoffmann erbaut worden war.

Mit 80 Jahren zog sich Helmut Hofmann aus der aktiven Architektentätigkeit zurück und betätigte sich als bildender Künstler. Gezeichnet und gemalt hatte er schon immer, nun entdeckte die für ihn typische Kunstform, die 3 Collage. Hofmann plünderte dafür seine Tapeten-Musterbücher mit den Le Corbusier-, Bauhaus-, Werkbund-, und Rasch-Kollektionen. Diese Arbeiten wurden in Ausstellungen an vielen Orten gezeigt und fanden großen Anklang. Die Collagen wurden mit der Zeit immer freier, doch die Herkunft aus Architektur und Städtebau blieb stets sichtbar.

Nach dem Tod seiner Frau im vergangenen Jahr zog er sich immer stärker zurück, dennoch blieb sein großer Freundeskreis weiter um ihn geschart. Nun ist er ganz friedlich und still von uns gegangen. Wir werden ihn nicht vergessen und am 9. Februar 2007, seinem 100.Geburtstag, seiner besonders gedenken.

Franz Josef HammArchitekt BDA