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„Unser Dorf soll schöner werden“

13. Oktober 2005

16.06.12 bis 17.06.12
Stellungnahme des Vorsitzenden des BDA Hessen Michael Schumacher zu den Überlegungen in den Medien hin zu einer „Rekonstruktion der Altstadt“ in Frankfurt am Main

Sicherlich bietet der geplante Abriss des Technischen Rathauses die Chance einer Verbesserung der Frankfurter Innenstadt im Bereich zwischen Dom und Römer. Will man fair sein, muss man jedoch darauf hinweisen, dass die Probleme in diesem Bereich nichts mit der architektonischen Qualität des Technischen Rathauses zu tun haben. Tatsächlich ist das Technische Rathaus überhaupt kein schlechtes Gebäude, und es wurde zur Zeit seiner Entstehung zu Recht als gute Architektur ausgezeichnet. Aber es ist für den Ort zu groß und ließ sich schon deswegen nicht vernünftig städtebaulich integrieren. Diese Tatsache liefert, über den Zeitgeschmack hinweg, einen nachvollziehbaren Grund für die mit dem Abriss verbundene Hoffnung, den Bereich zwischen Dom und Römer nun in bester städtebaulicher und architektonischer Qualität neu errichten zu können.

Aus dieser Meinung geht vermutlich bereits hervor, dass ich mich mit der Idee eines Wiederaufbaus der Altstadt nicht recht anfreunden kann. Neben persönlichen Einschätzungen gibt es einige Fragen, die ein solches Anliegen aufwirft und die aus meiner Sicht nicht mit der für öffentliche Vorhaben notwendigen Allgemeingültigkeit zu beantworten sind.

Dazu gehört die Frage nach dem historischen Zeitpunkt, der wiederaufgebaut werden sollte: soll es um den Zustand unmittelbar vor der Zerstörung im Krieg gehen? Oder um einen, der als besonders stimmig gilt, im Sinne des 19. Jahrhunderts vielleicht oder der Zeit Goethes oder von Barock, Renaissance,
Gotik, Romanik … – wenn man historische Augenblicke überhaupt einfrieren oder auch nur eindeutig in Erfahrung bringen kann. Damit zusammenhängend stellt sich die Frage, wie der Wiederaufbau an den Stellen enden soll, an denen es neuere Straßen und Gebäude gibt, die damals nicht vorhanden waren.

Weiterhin müsste geklärt werden, wie rekonstruiert werden soll: so authentisch wie möglich, dann zieht und knarrt es und ist energietechnisch ein Desaster; oder mit auf den Fassaden „aufgeklebtem“ Fachwerk und einem zeitgemäßen Haus dahinter. Letzteres wird dann aber, wie man am Beispiel der „rekonstruierten“ Häuser am Pariser Platz in Berlin höchst überzeugend nachvollziehen kann, wie eine billige Replik wirken, bei der einfach keine Stimmung aufkommt.

Mit anderen Worten: Die originalgetreue Restaurierung eines historischen Zustandes liegt bestenfalls bei einzelnen herausragenden Objekten im Bereich des Möglichen und wird auch hier mit technischen Komplikationen, funktionalen Kompromissen und extrem hohen Baukosten verbunden sein, die jenseits von Gut und Böse liegen und neben privatem Engagement auch hoher öffentlicher Zuschüsse zum Nachteil der restlichen Stadt bedürfen würden – auch dafür liefert Berlin mit den endlosen Diskussionen rund um die Finanzierung der Rekonstruktion des Schlosses ein Negativbeispiel. Das alles passt nicht zu Frankfurt mit dem ausgeprägten Realitätssinn seiner Bürger und den auf absehbare Zeit beschränkten finanziellen Spielräumen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich einen Vorschlag formulieren, der sich eher realisieren lassen würde. Ziel ist und bleibt natürlich eine neue, attraktive Gestaltung für den zentralen Bereich unserer Stadt – ich vermeide bewusst den Begriff Altstadt –, die die für diesen Ort typische Kleinteiligkeit der städtebaulichen Strukturen in Anlehnung an die Parzellengrößen und die Höhenentwicklung der ehemaligen Bebauung und den Detailreichtum der Architektur wieder aufleben lässt. In einem ersten Schritt schlage ich vor, sich auf der Grundlage der Beiträge des kürzlich erfolgten städtebaulichen Ideenwettbewerbes auf einen Stadtgrundriss zu einigen. In einem zweiten Schritt müsste die Stadt festlegen und darauf bestehen, dass alle Parzellen einzeln beplant werden. Nur in Ausnahmefällen dürfte ein Gebäude, ein Hotel etwa, nutzungsbedingt größer sein; doch auch in diesem Fall müsste seine Architektur die Parzellenstruktur erkennbar machen. In einem dritten Schritt muss sichergestellt werden, dass alle Bauten von unterschiedlichen und natürlich möglichst qualitätvollen Architekten realisiert werden. Alle drei Schritte zusammen machen die Planung etwas aufwendiger, doch zusammen würden sie eine Garantie liefern, dass ein lebendiger und qualitätvoller Stadtteil entsteht und kein potemkinsches Dorf.