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„Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.“

12. Mai 2005

Stellungnahme des Vorsitzenden des BDA Hessen Michael Schumacher zum Investorenwettbewerb für ein „Luxushotel“ am Opernplatz in Frankfurt am Main.

„Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.“ – die Worte von Gustav Mahler kommen mir in den Sinn, wenn ich die Beiträge für den Neubau eines Luxushotels am Opernplatz sehe. Man könnte meinen, wir stünden am Anfang des 20. statt des 21. Jahrhunderts. Da wird versucht, längst überholte Architekturen wieder ins Leben zurück zu holen, Architekturen, die bereits im Berlin der frühen neunziger Jahre, als das Hotel Adlon, vom dem das Ganze kopiert wird, „rekonstruiert“ wurde, tot waren. Was für ein Selbstwertgefühl und was für ein Selbstverständnis drückt sich da eigentlich aus? Wie werden spätere Generationen das beurteilen, was da geplant wird? Können wir in Frankfurt wirklich nicht mehr als hauptstädtischen Moden von vorgestern nachzueifern?

Mir scheint, wir haben es hier mit einem Missbrauch von Tradition zu tun.

Hinter der allgemeinen Sehnsucht nach dekorierten Fassaden, Giebeln, Türmchen und Mansardendächern, steht der nachvollziehbare und richtige Wunsch nach Detailreichtum, guten Proportionen, dem menschlichen Maßstab und nach Kleinteiligkeit. Altbekanntes löst Verstehen aus, im Privaten wie in der Architektur, und damit Wohl­befinden. Niemand und schon gar nicht die Architekten wünschen sich neben unserer Alten Oper lieblose Kisten. Ganz im Gegenteil wünschen wir uns alle eine Architektur, die sich auf den Ort bezieht, die den Geist dieses Ortes aufgreift und sich auch auf die Materialien und den Detailreichtum der vorhandenen Bauten bezieht. Aber der ständige Blick zurück, der „Retrotrend“, von dem die Kulturkritiker sprechen, ist eine Sackgasse.

„Retro“ ist nicht mehr als der populistische Versuch, so zu tun, als würde man einen Mangel beseitigen, ohne dies wirklich zu tun. „Retro“ kann kurzfristig werbewirksam und vielleicht sogar lustig sein. Auf Dauer aber wollen wir nicht in Omas alten Kleidern herumlaufen.

Die Frage, wieso sich teilweise hoch qualifizierte Architekten so hemmungslos diesem „Retrotrend“ anschließen, lässt sich möglicherweise durch einen Blick auf das Verfahren zur Vergabe dieses wichtigen Projektes beantworten. Am Opernplatz konkurrieren nämlich nicht Architekten untereinander, wie man anhand der publizierten Bilder meinen könnte, sondern Investoren. Dabei geht es auch nicht um das architektonisch bessere Projekt, sondern schlicht und einfach um den Zuschlag für ein wertvolles Grundstück im Herzen der Stadt. Es geht also um ein Geschäft. Auf dieser Ebene stehen Dinge wie eine möglichst hohe Ausnutzung der Grundstücksfläche und das Konzept des Betreibers des Hotels im Vordergrund. In diesem Zusammenhang ist auch das erforderliche Volumen des Baukörpers zu klären, das später eine wesentliche Auswirkung auf die Stadtgestalt haben wird – mehr aber auch nicht.

Es erscheint mir auf dieser Ebene hingegen nicht erforderlich zu sein, sich schon auf einen konkreten Entwurf festzulegen. Das erschwert die Angelegenheit nur, denn es könnte ja passieren, dass das beste Betreiberkonzept leider mit dem schlechtesten Architekturentwurf einhergeht. Dazu kann es nämlich sehr schnell kommen, wenn Investoren, die gute Geschäftsleute zu sein haben aber eben keine Architekten sind, meinen sicher zu gehen und sich anbiedern zu müssen. In der Konsequenz versuchen sie den Geschmack zu treffen, den sie den verantwortlichen Politiker unterstellen, der eben oft populistisch angehaucht ist. In einem nächsten Schritt geben sie ihren Architekten die Anweisung, sich doch bitte an dieser Ausrichtung zu orientieren. Was bei einer solchen Verfahrensweise rauskommt, haben wir zu sehen bekommen.

Die Stadt wäre in solchen Fällen, bei denen es nicht einfach um ein Geschäft, sondern um das Herz unserer Stadt geht, gut beraten, für sich zu prüfen, was sie an einem bestimmten Standort will und wie sie das Vorhaben finanzieren kann. Auf dieser Ebene kann sie die Weichen setzen. In einem zweiten Schritt kann sie, wenn sie sich für die Zusammenarbeit mit einem Investor entscheiden sollte, herausfinden, welcher Investor das sein wird.

Doch dann muss es um die Architektur gehen: es muss der für die Stadt beste Entwurf gefunden werden. Selbstverständlich wird dieser Entwurf den Interessen der Stadt und der Investoren gerecht werden müssen. Doch er wird, darüber hinaus, auch die sonstigen Aufgaben und realen Probleme des jeweiligen Ortes – in unserem Fall der Opernplatz und seine Umgebung – zu lösen versuchen. Vielleicht wird die Architektur kleinmaßstäblich werden, um die Dominanz der Alten Oper nicht zu gefährden, wie das ein (auch in Naturstein gehüllter) Großkomplex tun würde. Vielleicht finden sich aber auch andere innovative Wege das Beste für Frankfurt zu erreichen. So könnte der Hotelkomplex aus unterschiedlichen Gebäudeteilen mit unterschiedlichen Architekturen bestehen – aus einem solchen Ansatz könnte sich vielleicht sogar ein neues Thema für ein Luxushotel ergeben. Wie auch immer: der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, wenn die Aufgaben richtig formuliert sind und die besten Fachleute ihr Können unter Beweis stellen können.

Dass das alles keine Utopie bleiben muss, sondern Realität werden kann, das beweist die Freie und Hansestadt Hamburg. Es ist beeindruckend zu sehen, mit welchem innovativen Geist und dennoch tief verankert in der Tradition neue Großprojekte wie etwa die Neue Oper und die Bebauung der Hafencity insgesamt angegangen werden. Ohne in „Retrotrends“ zu verfallen werden hier langfristig Standortqualitäten gesichert und ausgebaut. Ich bin mir sicher: das können wir in unserer Stadt Frankfurt am Main genauso gut. Wir müssen es nur wollen.

Michael Schumacher
Vorsitzender Bund Deutscher Architekten BDA Hessen

Gegendarstellung von Fritz Ludwig

Gegendarstellung von Michael Landes